Kunst und Philosophieren
In Kooperation mit der Kunstschule Zinnober als Projektleitung führte die Pestalozzischule Papenburg das Projekt „Kunst und Philosophieren“ mit dem 8. Jahrgang der Schule vom 17. bis 19. Januar 2024 durch. Ziel des Projektes war es, die Struktur der Philosophie zu verinnerlichen und als wertfreies Wesensmerkmal der Kommunikation zu erkennen, sowohl im theoretischen Diskurs, als auch im künstlerischen Arbeiten in der Praxis.
Tag 1
Zu Beginn des Tages philosophierten die dreißig Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 8 unter der Leitung des Kunstschuldozenten Ingo Heintzen zum übergeordneten Thema „Nachhaltigkeit“. Weitere TeilnehmerInnen waren drei Lehrkräfte der Pestalozzischule, die DozentInnen Sibylle Schmidt und Karl-Heinz Brinkmann, die stellvertretende Leiterin der Kunstschule Zinnober Dr. Viola Tallowitz-Scharf, sowie die FSJ-lerin Minh Thi Bui und die Jahrespraktikantin Johanna Stoll der Kunstschule Zinnober.
„Ich habe zuerst die Voraussetzungen für ein wertfreies gemeinsames Äußern von Gedanken besprochen und besonders den hohen Wert der Frage selbst betrachtet. Das Thema der Nachhaltigkeit habe ich in das letzte Drittel der Zeit gestellt, um erst einmal ein Gefühl für das freie Denken aufkommen zu lassen.“, so Ingo Heintzen.
Es stand den 13- bis 15-Jährigen ebenfalls frei, jegliche aufkommenden Gedanken auszusprechen, unabhängig davon, ob sie zum aktuell besprochenen Thema passten oder eigene Fragen zu stellen.
Als erstes wurde die Frage aufgeworfen, was Kommunikation für die Teilnehmenden bedeutet. Viele waren sich einig, dass Kommunikation in erster Linie miteinander Reden und ständigen Austausch bedeute. Andere betonten, dass sie sich auch durch Augenkontakt, Blicke sowie Körpersprache und -haltung ausdrücken kann. Daraufhin wurde die Frage „Ist es möglich, nicht zu kommunizieren?“ in den Raum gestellt. Diesmal waren sich fast alle einig, dass man unabhängig von der Art und Weise immer kommuniziere, sei es beabsichtigt oder nicht. Trotzdem wendeten einige Schülerinnen und Schüler ein, dass es Wege ohne jegliche Kommunikation gebe wie z.B. ganz im Selbst sein und darin Ruhe finden, wie beim Musik hören oder Filme schauen.
Die nächste Frage lautete: „Was ist Kultur?“ Viele der Schülerinnen und Schüler dachten bei dem Begriff an Religionen und das Leben nach bestimmten Traditionen beziehungsweise einen Lebensstil. Andere differenzierten Kunst und Musik als einen Teil von Kultur.
Als nächstes schlug Heintzen den Bogen zu „Natur“ und „Nachhaltigkeit“. So verbanden die Teilnehmenden den Begriff der Natur mit der Umwelt und den darin befindenden Bäumen und anderen Pflanzen, aber auch mit dem Leben im Meer. Zwei Schüler malten sich die Natur auch als ein Wesen aus, das „Mutter Natur“ genannt wurde. Die Schülerinnen und Schüler hoben hervor, dass die Menschen sich für einen nachhaltigeren und bewussteren Umgang mit der Natur bemühen sollten, da diese gegenwärtig von den Menschen verschmutzt und zerstört wird. Aus diesem Grund stellte Ingo Heintzen zur Diskussion, ob die Natur den Menschen brauche. In dieser Hinsicht spaltete sich die Meinung der Runde: Einerseits schaffe es die Natur ohne den Menschen, da sie schon über eine lange Zeit eigenständig existiert hat. Auf der anderen Seite wurde beleuchtet, dass in der heutigen Zeit der Mensch die Natur bereits so stark zerstört hat, dass sie sich nicht von allein regenerieren könne und schlussfolgernd die Hilfe des Menschen benötige.
Das Philosophieren mit professioneller Anleitung sollte den Kindern und Jugendlichen ermöglichen selbständig zu denken, zu hinterfragen, kritisches Denken zu lernen, die eigene Perspektive auf Sachverhalte verändern zu können und zu wissen „das ist ok“. Deutlich wurde, dass sich dieses Format vor allem für Jugendliche anbot, die im normalen Schulunterricht eher zurückhaltend bzw. oft auffällig laut sind. Das Philosophieren bietet ihnen die Möglichkeit für einen gleichberechtigten Diskurs.
Nach dem gemeinsamen Philosophieren und Zusammenfassen der besprochenen Themen stellten die Dozenten den Schülerinnen und Schülern ihre verschiedenen Kunstwerkstätten vor. Karl-Heinz Brinkmann bot Radierung auf Kunststoff- und Zinkplatten an, Sibylle Schmidt das Collagieren und kreative Schreiben und Ingo Heintzen das Drucken von Plakaten mit einer Buchdruckpresse. Anschließend teilten sich die Jugendlichen in einem demokratisch-partizipatorischen Prozess gleichmäßig auf die drei Werkstätten auf. Das schloss an das Philosophieren an und hieß, sie sollten sich selbständig, untereinander einigend und wertschätzend den Werkstätten zuteilen, so dass sich schließlich in jeder davon zehn TeilnehmerInnen befanden.
Tag 2
Eine gemeinsame Begrüßungsrunde mit den Schülerinnen und Schülern und den Dozenten eröffnete den zweiten Tag des Projekts. Hier reflektierten alle gemeinsam den vorherigen Tag und fassten die Themen noch einmal zusammen. Anschließend versammelten sich die Schülerinnen und Schüler in ihren Werkstätten, in der ihnen der genaue technische Prozess für das künstlerische Arbeiten vorgestellt wurde. Zum übergeordneten Thema „Nachhaltigkeit“ erstellten sie dann ihre Kunstwerke.
So überlegten sich die Schülerinnen und Schüler in Sibylle Schmidts Collage- und Schreibwerkstatt, wie sie aus verschiedensten recycelbaren Materialien, Zeitschriftausschnitten, Buchstaben sowie bunter Papiere etc. das Thema in ihren Werken umsetzen könnten. „Zunächst gab es die Anregung, auf großen Blättern Ideen zu sammeln, was für die Natur getan werden kann, um sie zu stärken und zu unterstützen. Nach und nach füllten sich die Blätter mit kleinen Texten und Vorschlägen, Collagen und künstlerisch umgesetzten Ideen. Das im ganzen Raum verteilte "Schnipsel-Material" aus Zeitschriften, Prospekten und anderen Alltagspapieren nutzten die Jugendlichen zum Teil auch für Collagen zu persönlichen Themen - was immer zur Reflexion und Selbstwertstärkung dienen kann.“, erzählt Schmidt.
In der Buchdruckwerkstatt sollte „aus einer vermeintlich schulischen Aufgabe mit Worten und Sätzen umzugehen, eine künstlerisch, philosophische werden. Auch Rechtschreibfehler konnten stattfinden. Anhand einer Äußerung einer Schülerin am Beginn der praktischen Arbeit, die lautete: „Ich hab‘ keine Ahnung!“, habe ich die TeilnehmerInnen dazu aufgefordert diesen Satz wertfrei zu betrachten und auf sich wirken zu lassen. Auf diese Weise konnte allmählich deutlich gemacht werden welche Betrachtungshaltung für unsere Werkstatt nötig war, um starke Wörter oder Sätze zu finden, die uns zum Philosophieren anregen.“, freut sich Ingo Heintzen.
Die SchülerInnen diskutierten, welche Schlagwörter oder Sätze am besten in Plakatform gedruckt werden könnten, um das Sujet optimal zu reflektieren und andere Personen zum Weiterdenken anzuregen. Zur Verfügung standen hier hunderte Buchstaben in verschiedenen Größen und Schrifttypen, zwei Buchdruckpressen und bunte, wasserlösliche Hochdruckfarben.
In der Radierwerkstatt bei Karl-Heinz Brinkmann betonten die Schülerinnen und Schüler, dass Tiere ein wichtiger Bestandteil der Umwelt seien. Sie zeichneten ihre Motive mit Bleistift auf Papier vor und übertrugen sie mit Radiernadeln auf transparente Kunststoffplatten. Im nächsten Schritt trugen sie Tiefdruckfarbe auf und verteilten diese mit Hilfe von Wischgaze in ihre eingeritzte Zeichnung. Anschließend drehten sie die eingefärbte Platte selbständig mit feuchtem, aufgelegten Büttenpapier durch eine Druckpresse. Vorteil der Radierung ist, dass jedes Motiv mehrfach gedruckt und variiert werden konnte.
Zum Abschluss versammelten sich alle Gruppen noch einmal gemeinsam. Dort präsentierten sie ihre ersten Ergebnisse, besprachen die Umsetzung und versuchten, den Tag in nur einem Satz zu reflektieren.
Tag 3
Am letzten Tag des Projektes arbeiteten die Teilnehmenden nach einer kurzen Begrüßungsrunde in ihren jeweiligen Werkstätten weiter. Die Dozenten brachten dazu auch neuen Input ein: So gestalteten die Schülerinnen und Schüler bei Ingo Heintzen komplette Plakate indem sie ihre Texte auf vorgefertigte Siebdruckfarbflächen druckten. Er erzählt begeistert, dass eine überaus schüchterne Schülerin mehrere starke Plakate schuf, u.a. eines mit dem Satz:
„Man kann nur machen was man kann“
Sie stellte ihr Plakat am Ende sogar den anderen SchülerInnen vor.
Und ein Schüler, der zu Anfang viel störte, rief gegen Ende der Veranstaltung in den Raum: „Sei ma leise!“ Darauf rief Heintzen ihm zu: „Denk mal über das „ma“ nach, ob das da bleiben muss?“
Dieser Schüler druckte in Gemeinschaftsarbeit ein Plakat mit dem Text:
„Sei leise“
Sibylle Schmidt erweiterte ihre Collagewerkstatt um die Erstellung von Zine (kleine, aus einem Blatt gefaltete Heftchen), in denen weitere Collagen, die zum Beispiel durch eine Geschichte begleitet wurden, hinzugefügt werden konnten. Durch die Technik der Frottage konnte erlebt werden, wie man sich interessant strukturierte Papiere selbst herstellen kann.
Schmidt sagt: „Als Dozentin fand ich besonders interessant und erfreulich, dass mehrere Jugendliche, die anfänglich etwas stockend in die schöpferischen Prozesse hineinfanden, dann doch in ihren persönlichen "Flow" kamen und dabei etwas für sich entdecken konnten. Ratschläge dafür waren zum Beispiel auch, das Blatt nicht "ordentlich" zu bekleben und zu beschriften, sondern Papiere zu reißen, kreuz und quer zu schreiben und ohne vorherige Planung und Gedanken spielerisch zu Werke zu gehen.“
Bei Karl-Heinz Brinkmann hatten die Schülerinnen und Schüler nun auch die Möglichkeit Ätzradierungen auf Zinkplatten anzufertigen und so tiefer in den Prozess der Radierung einzusteigen.
Zum Abschluss des Projektes stellten alle Gruppen ihre Kunstwerke in einer gemeinsamen Abschlusspräsentation vor. Dabei erzählten sie über den Prozess ihrer kreativen Arbeit und auch über ihre Empfindungen und Erfahrungen im gesamten Projekt. Zwar kritisierten sie, dass das Philosophieren erschöpfend war, allerdings gefiel ihnen das künstlerische Arbeiten, bei dem sie ständig mit ihren KlassenkameradInnen im Austausch sein konnten. Zusätzlich bedankten sie sich herzlich bei den Dozierenden für ihren Einsatz und auch bei ihrer Lehrerin Kathrin Hatting, die das Projekt an der Pestalozzischule u.a. ermöglichte.
Am Ende einigten sich die Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften darauf, dass ihre Werke eine Woche lang in der Aula ausgestellt werden.
In den Kunstwerkstätten wendeten die Kinder und Jugendlichen die neue Kommunikationsform mit professioneller Begleitung auch künstlerisch an, vertieften, verfestigten und erweiterten Gedanken. Die freie Kreativität wurde ohne Wertung gefördert und die Wissensvermittlung und selbständige Wissenserforschung in den kreativen Prozess integriert. Somit wurde wiederum dialektisches Denken gefördert immer im Austausch miteinander. Durch Kreatives Schreiben, Collage, Radierung, Buchdruck und Zeichnung wurde das Mentale mit dem Haptischen und Visuellen verknüpft und förderte somit die Fähigkeit der Ideenfindung, der Erschließung thematischer Zusammenhänge und der alternativen Ausdrucksfähigkeit durch Kunst.
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